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Synagogen-Schlüssel der „Großen Synagoge“ in der Turnerstraße von 1938 zurück in Bielefeld
Synagogen-Schlüssel der „Großen Synagoge“ in der Turnerstraße von 1938 zurück in Bielefeld
Am Gedenkstein und im Rathaus wurde der Zerstörung der Synagoge und der Opfer der Judenverfolgung vom 9. November 1938 gedacht. Dabei wurde der Originalschlüssel der damaligen „Großen Synagoge“ zurück nach Bielefeld gebracht.
Marianne Bern, geborene Katzenstein, hatte das Gebäude am 9. November 1938 abends als letzte abgeschlossen. Sie war danach nach England und in die USA geflohen. Nach genau 86 Jahren übergab jetzt ihre Tochter Jennifer Bern-Vogel und ihr Sohn Dan Bern bei der Gedenkfeier den Schlüssel an die Jüdische Kultusgemeinde und an das Historische Museum.
Brennende Synagoge 9.-10. November 1938 Turnerstr. in Bielefeld, Stadtarchiv Bielefeld
Innenansicht der Synagoge Turnerstr. Bielefeld, Stadtarchiv Bielefeld
Marianne Katzenstein mit ihrer Schwester im Sommer
Marianne im Schnee an Chanukka
Marianne Bern, geb. Katzenstein
Am Mittwoch, dem 9. November 1938, ging ich abends in unsere Synagoge in Bielefeld. Ich hatte kurz vorher mit Orgelstunden begonnen (bei unserem Organisten, Erich Proskauer) und wollte etwas üben. Eine Freundin, Inge Rosenthal, kam mit mir. Als ich fertig war, schloss ich die Tür ab (ich hatte einen Schlüssel bekommen) und ging nach Hause (ca. 9 Uhr). Am nächsten Morgen weckte mich unsere Haushaltshilfe Esther: „Marianne, die Synagoge brennt!“ Ich sprang aus dem Bett, zog mich an und lief so schnell wie möglich zu der Synagoge (in der Nähe von unserem Haus und auf dem Weg zur Schule). Das Gebäude brannte, umgeben von sensationshungrigen Menschen, die hämische Bemerkungen machten. Auf der Straße standen Feuerwehrleute, die die gegenüberliegenden Häuser bespritzten! Ich ging in die Schule — im Klassenzimmer standen alle am Fenster und sahen auf die brennende Synagoge. Zu diesem Zeitpunkt hatte niemand eine Ahnung, warum dies geschah - und dass in ganz Deutschland gleichzeitig über 1000 Synagogen brannten. Diese außerordentlich gut orchestrierte Aktion wurde offiziell als „spontane“ Reaktion auf das Attentat auf Ernst vom Rath in der deutschen Gesandtschaft in Paris bezeichnet, das ein junger Jude, Herschel Grynspan, ausgeführt hatte. Tausende von jüdischen Männern wurden festgenommen und in Konzentrationslager gebracht. Erst nach Wochen oder Monaten wurden sie allmählich entlassen, oft unter der Bedingung, Deutschland kurzfristig zu verlassen (praktisch unmöglich, wegen der vielen Formalitäten). Dies war unser letzter Schultag in Deutschland — von diesem Moment an war jüdischen Kindern der Schulbesuch untersagt — gleichzeitig mit allen anderen öffentlichen Institutionen (Theater, Konzerte, viele Restaurants, Hotels usw.), soweit dies nicht schon lange der Fall war. Außerdem mussten Juden alle Wertsachen, Gold, Silber, Juwelen usw. abgeben, und der Gesamtheit der jüdischen Bevölkerung wurde eine Strafabgabe von einer Billion Mark auferlegt (für die Schäden, die sie erlitten hatte!). Die Synagoge, 1905 eingeweiht (mit meinem Großonkel, Moritz Katzenstein, als Gemeindevorsteher), wurde niedergebrannt. In den Jahren seit 1933 bedeutete die Synagoge für uns viel mehr als ein Gotteshaus — zusammen mit dem Gemeindehaus war es ein Zentrum für uns, für Zusammenkünfte mit Altersgenossen, für Vorträge, Unterhaltung und oft eine Zuflucht vor den Problemen des täglichen Lebens. Das Einzige, was von diesem Gebäude noch existiert (und in meinem Besitz), ist der Schlüssel!
Auszug aus dem Buch:
»Der Freiheit Wimpel weht am Mast«
Selbstzeugnisse eines westfälischen Juden zwischen Assimilation und Emigration
Willy Katzenstein(Autor)
Johannes Altenberend(Herausgeber)
Schlüsselübergabe durch Jennifer Bern-Vogel an Frau Dr. Döhrer, Historisches
Museum Bielefeld und Irith Michelsohn, Jüdische Kultusgemeinde Bielefeld
Vertragsunterzeichnung für den Synagogenschlüssel
Schlüssel
Die Bundeszentrale für politische Bildung teilt mit:
Im Wettbewerb „Aktiv für Demokratie und Toleranz“ 2023 wurde das Projekt der Vorsitzenden der Jüdischen Kultusgemeinde Bielefeld, Frau Irith Michelsohn, „Vorurteile abbauen - Brücken überwinden - Vertrauen gewinnen“ eingereicht. Dies wurde von der Auswahljury als vorbildlich eingestuft und ausgezeichnet. Dazu gratulieren wir sehr herzlich!
Das Massaker vom 7. Oktober und seine Folgen - 09.09. – 11.10.24
Einladung zur Mitwirkung an einem Kunstprojekt über Frauen